"Pathological" Demand Avoidance bekommt zunehmend Aufmerksamkeit und viele Eltern beobachten PDA-Verhalten bei ihrem Kind. Doch laut der einzigen wissenschaftlichen Studie zum Thema tritt das PDA-Profil nur sehr selten auf.
In der bisher einzigen Prävalenzstudie zu PDA* (mit sehr kleiner Stichprobe) zeigten etwa 20% der Kinder & Jugendlichen im Autismus-Spektrum PDA-Symptome, aber nur 1 von 9 Personen aus der "PDA-Gruppe" erfüllte alle Kriterien (= in diesem Fall 15 PDA-spezifische Testfragen des DISCO-11). Da offiziell nur etwa 1-3% der Menschen im Spektrum sind, ist PDA dieser Studie zufolge also ziemlich selten. In der klinischen Praxis wird PDA allerdings zunehmend häufiger gesehen, vor allem in England & Australien, wo PDA anerkannt ist. Auch im deutschsprachigen Raum vermuten immer mehr Eltern PDA bei ihrem Kind.
Für eine erste Einschätzung, ob PDA im Spiel sein könnte, helfen die EDA-Fragebögen von Elizabeth Newson weiter - und auch der Fachverein PDA hat Checklisten erstellt. Meine gerade gestartete Beitragsreihe "Ist es PDA?" kann ebenfalls mehr Klarheit bringen.
Ob nun das volle Profil zutrifft (und im Idealfall eine Autismus-Diagnose mit Zusatz "Extreme Demand Avoidance" gestellt wird) oder "nur" ein Teil der Symptome besteht - eine PDA-sensible Begleitung kann in beiden Fällen der erste Schritt zu einer Verbesserung der Situation sein. Von den damit verbundenen Anpassungen & Strategien kann grundsätzlich jede*r profitieren, besonders auch jene Menschen mit Burnout, Trauma & Neurodivergenz. Da diese Art der Begleitung jedoch mit einem sehr hohen (Energie)Aufwand verbunden ist, wird meist erst darauf zurückgegriffen, wenn alle anderen Ansätze nicht (mehr) funktionieren.
warum fühlen sich so viele menschen betroffen?
🌱 Wir befinden uns in einer Instagram-PDA-Bubble.
🌱 Laut Studie zeigen immerhin 20% der Autist*innen PDA-Symptome.
🌱 Die Dunkelziffer von Menschen im Autismusspektrum (und damit verbunden PDA) könnte viel höher sein als gedacht. Autisten maskieren häufig und werden oft erst durch Nebenerscheinungen auffällig, zB. Burnout, Trauma, Depression, Süchte, Essstörungen, psychische Erkrankungen. Leider wird selbst dann Autismus oft nicht als Wurzel des Problems erkannt.
🌱 Das Autismus-Bild verändert sich durch neues Wissen & Vernetzung mit anderen Betroffenen. Auch die Verbindung von Autismus & ADHS wurde mittlerweile anerkannt - daher erkennen sich immer mehr Menschen im Autismus-Spektrum.
🌱 Eltern sind bedürfnisorientierter. Kinder müssen ihre Gefühle nicht mehr so stark unterdrücken und haben die Möglichkeit, auf für sie ungesunde Situationen zu reagieren.
🌱 PDA tritt vor allem dann zutage, wenn Anforderungen Kapazitäten übersteigen. In unserer sich rasant entwickelnden Welt sind Kinder zunehmend gestresst.
🌱 Die Färöer Inseln, auf denen diese Studie durchgeführt wurde, sind SEHR beschaulich und überfordernde Reize sind kaum vorhanden (wir waren selbst vor wenigen Jahren dort). Zusätzlich ist die Studie bereits 9 Jahre alt.
🌱 In der Studie wurden alle Einwohner im Alter von 15-24 auf Autismus evaluiert. Dabei wurden 67 Personen identifiziert, die die Diagnosekriterien für das Autismusspektrum erfüllt haben (1%). Von dieser Gruppe füllten die Eltern von 50 Kindern einen PDA-Fragebogen aus. Neun von ihnen zeigten PDA-Symptome, nur eines davon erfüllte alle Kriterien.
Ob diese Zahlen eine deutliche Aussage über die Häufigkeit von PDA zulassen ist für mich fraglich. Auch wurden jene Menschen nicht berücksichtigt, die zu wenige Auffälligkeiten für eine Autismus-Diagnose zeigten - was bei PDA ja häufig der Fall ist.
kritisch hinterfragen
Ich empfinde es als sehr wichtig, Informationen immer anhand mehrerer Quellen zu überprüfen (am besten direkt durch die Hauptquelle). Es gibt die Möglichkeit von Übersetzungsfehlern - oder wichtige Aspekte könnten missverstanden bzw. beim Transfer verloren gehen. Zusätzlich können sich auch Experten irren - daher lohnt es sich, kritisch zu hinterfragen und auch auf das eigenen Bauchgefühl zu vertrauen.
Auch mir können Fehler passieren - selbst wenn das was ich teile sehr sorgfältig recherchiert & reflektiert ist.
Ihr dürft gerne jederzeit nachfragen und eure Sichtweise teilen - denn es gibt nie nur eine Perspektive, vor allem nicht in einer so komplexen & unerforschten Thematik wie PDA.
quelle
* Gillberg, C., Gillberg, I.C., Thompson, L. et al. Extreme (“pathological”) demand avoidance in autism: a general population study in the Faroe Islands. Eur Child Adolesc Psychiatry 24, 979–984 (2015). https://doi.org/10.1007/s00787-014-0647-3
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